Vogelzugrekorde der Pfuhlschnepfe
Einleitung
Alljährlich verlassen Brutvögel im Herbst ihre Brutgebiete im hohen Norden und ziehen in wärmere Gebiete, die ihnen ein Weiterleben mit genügend Nahrungsaufnahme ermöglichen. Je nach Vogelart wird die Reise in mehrere Etappen unterteilt oder im Extrem in einem Stück bewältigt. Eine Vertreterin des Nonstopfluges und Rekordhalterin im Langstreckenflug ist die Pfuhlschnepfe.
Zugwege
Die Pfuhlschnepfen brüten im Norden in den Tundren von Nordskandinavien bis nach Alaska. Der Vogelzug führt sie auf mehreren Wegen an südlich gelegene Meeresküsten in Afrika, Indien, Indonesien oder Neuseeland. Die mehr als 11‘000 km lange, über den Pazifik führende Zugroute von Alaska nach Neuseeland, legen die Vögel in der Regel nonstop zurück.
Rekorde im Vogelzug
Nonstop-Vogelzüge werden von ziehenden Vögeln nur dann gemacht, wenn es die Umstände wie z.B. fehlendes Land bei einer Wasserüberquerung notwendig machen. Für die hier beschriebenen Pfuhlschnepfen sind drei besonders spektakuläre Flüge herausgegriffen:
- Flug 1 im Jahr 1996 von Alaska nach Neuseeland, Länge 11550 km, Dauer 180h, durchschnittlich 64 km/h /BRUDERER, 2017/.
- Flug 2 im Jahr 2020 auf demselben Weg, Länge 12‘200 km, Dauer 224h, durchschnittlich 54 km/h.
- Der dritte und längste Flug im Jahr 2022 von Alaska nach Tasmanien, Länge 13‘560 km in 265h, durchschnittlich 51 km/h /ORNIS, 2022/.
Bei der jährlichen Migration gibt es noch andere Vogelarten, welche extrem lange Strecken zurücklegen. So fliegen Küstenseeschwalben von ihren Brutgebieten in der Arktis im Herbst mit mehreren Zwischenstopps an den Rand der Antarktis und im Frühling zurück. Die jährliche Zugstrecke beträgt so 50‘000 – 60‘000 km! Mit den übrigen Flügen eingerechnet, legen sie so in ihren etwa 25 Lebensjahren 2 Mio. km zurück, also etwa 5-mal die Strecke Erde-Mond /BRUDERER, 2017/.
Alle Vogelarten fliegen wenn immer möglich mit Rückenwind von Windsystemen. Von Pfuhlschnepfen wurde schon berichtet, dass sie nach mehreren tausend Kilometern Flug mit Gegenwind wieder an den Abflugort zurückgekehrt sind, wohl um einer Entkräftung zu entgehen.
Voraussetzungen für die hohen Flugleistungen
Wie ist es möglich, die vorgenannten, enormen Flugleistungen zu vollbringen? Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Energiekosten pro geflogenen Kilometer dank der hohen Fluggeschwindigkeit zwei- bis viermal kleiner sind als beim Laufen und dass Geländehindernisse am Boden eine untergeordnete Rolle spielen /BRUDERER, 2017/. Der Körperbau der Pfuhlschnepfe ist zudem für lange Flüge in mehrerer Hinsicht optimiert. So ist die Flächenbelastung der Flügel klein verglichen mit z.B. den viel grösseren Wasservögeln. Somit sinkt der Energiebedarf pro Flügelschlag.
Die Flügel weisen zudem eine schmale, lange und zu den Handschwingen zugespitzte Form auf, was einerseits den Formwiderstand der Flügel senkt und andererseits den induzierten Widerstand, hervorgerufen durch die Randwirbel an den Flügeln. Beide Effekte ermöglichen eine höhere Fluggeschwindigkeit ohne grossen Energiemehraufwand.
Für die langen Reisen braucht es auch grosse Energiereserven. Dazu fressen die Vögel vor ihrer Abreise viel und besonders energiereiche Nahrung (Kohlenhydrate und v.a. Fett). Pfuhlschnepfen können sich verglichen mit anderen Vögeln speziell viel Reserven anfressen. Um das Fluggewicht aber nicht unnötig zu erhöhen, greift die Natur auf eine besondere Eigenschaft zurück. Langstreckenzieher sind in der Lage, ihre inneren Organe (Verdauungsapparat um bis 75%) und die Muskeln (um bis 60%) während dem Flug langsam abzubauen und so letzte Energiereserven zu mobilisieren /BRUDERER, 2017/.
Energieverbrauch für die langen Reisen
Die für die Zugstrecke benötigte Energie wird an beringten oder besenderten Vögeln ermittelt, indem Abflug- und Endgewicht gemessen und die Flugzeit ermittelt werden. Der Gewichtsabbau wird auf die Körpermasse bezogen, womit man verschiedene Vogelarten gut miteinander vergleichen kann.
Auch in dieser Disziplin „Gewichtsabbau“ ist die Pfuhlschnepfe Meister. Sie muss nur ca. 0.5% Körpergewicht pro Stunde abbauen, um in den Süden zu fliegen. Sie baut ihr Körpergewicht für 11‘550km und 180h Flug von 367g auf 160g ab!
Ein Fitis benötigt 0.79% Körpergewicht pro Stunde und reduziert sein Abfluggewicht von 11g auf 7g für 1600km und 40h Flug.
Und ein Schwarzhalstaucher baut 2.81% Körpergewicht pro Stunde ab. Das Abfluggewicht wird von 430g auf 250g für 1140km und 19h Flug reduziert /BRUDERER, 2017/.
Literatur
/1/ ORNIS, 6/2022, S.4, Herausgeber BirdLife Schweiz, Zürich
/2/ BRUDERER B., Vogelzug: Eine schweizerische Perspektive, Ornithologischer Beobachter
Beiheft 2, 2017